9. Januar 2022

Öffis kostenlos für alle?



Ist persönliche Mobilität ein Grundrecht?

Wenn es nach Prof. Harald Lesch (deutscher Astrophysiker und Journalist) geht, dann sollte öffentlicher Personennahverkehr aus Steuergeldern finanziert werden und jedem Bürger kostenlos zur Verfügung stehen.


Ein Standpunkt, den schon einer meiner Lehrer vor ca. 40 Jahren vertreten hat. Damals konnte ich mit dieser Aussage nicht viel anfangen. Heute sind Themen wie Mobilität, insbesondere Elektromobilität, Energieversorgung und Umweltschutz heißer denn je und so möchte ich diesem Thema einen Beitrag in diesem Blog widmen.

Noch nie haben wir so viel Energie benötigt wie heute. Die Industrienationen stehen vor der Frage, wie der weitere Energiebedarf gedeckt werden soll. Atomkraftwerke sind in manchen Ländern unpopulär, in anderen überlegt man tatsächlich, der Atomenergie das grüne Label der Nachhaltigkeit verpassen zu wollen. Der Grund dafür ist wohl das eigene Versagen der Politik, rechtzeitig die Rahmenbedingungen für nachhaltige Energiegewinnung zu schaffen.

Der Trend bei unseren Autos geht hin zur Elektromobilität, weil fossile Energieträger ein Ablaufdatum haben und unseren Planeten ökologisch belasten. Doch auch E-Mobilität fördert, zumindest zu einem gewissen Teil, den Hunger nach elektrischer Energie.

In Großstädten versucht man, die Menschen dazu zu bewegen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Ein edler Wunsch. Doch wie bringt man mehr Menschen dazu, in U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn oder Bus zu steigen? Wir haben die persönliche Mobilität und die damit verbundene Flexibilität so in unser Herz geschlossen, dass wir selbst innerstädtisch lieber im Stau stehen, als uns in Öffis zu setzen. Die am öftesten genannten Argumente gegen öffentliche Verkehrsmittel sind:

- auf meiner Strecke nicht verfügbar
- bis zur Stadtgrenze ohnehin aufs Auto angewiesen
- Freizeitverkehr abends/Urlaub
- langsam
- zu wenig Parkmöglichkeiten (P&R)
- unbequem
- teuer
- kompliziert
- unflexibel
- schmutzig
- unsicher

Menschen unterer Einkommensschicht in Städten haben ohnehin keine Wahl. Sie können sich kein Auto leisten, nutzen Öffis und zahlen den Preis dafür. Zu ihnen gesellen sich die reinen Städter der Mittel- und Oberschicht, die kein Auto haben, weil sie es, entweder aus rein sachlicher Sicht schlichtweg nicht benötigen oder aus ideologischen/ökologischen Gründen bereits ablehnen.

Und dann gibt es die Gruppe der überzeugten Autofahrer. Die, die am Land wohnen und als Pendler auf ein KFZ angewiesen sind. Hier wären P&R-Anlagen an den Stadtgrenzen erforderlich. Aber auch aus der Stadt ist das Auto nicht wegzudenken, weil viele es liebgewonnen haben. So verzichtet der überzeugte Autobesitzer mit dem Argument der Flexibilität weiterhin nicht auf seinen Boliden, auch wenn es an Car-Sharing-Angeboten nicht mangelt.

In Österreich wurde im Jahr 2021 nach langen Verhandlungen das Klimaticket eingeführt. Zu einem attraktiven Preis kann man nun über Ländergrenzen hinweg öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Nachfrage hat alle Erwartungen übertroffen. Es scheint also, dass ein attraktiver Preis die Bereitschaft zur Nutzung von Öffis durchaus positiv beeinflusst.

Tatsache ist, dass der persönliche Individualverkehr in den nächsten Jahren noch teurer werden wird. Trotz Technologiewechsel in Richtung E-Mobilität mit Förderungen und steuerlichen Begünstigungen wird sich nichts daran ändern, dass der Energiebedarf weiter steigen wird und der so geliebte Individualverkehr ein Luxusgut werden wird. Ein Luxusgut, das man sich entweder weiterhin leisten kann, oder eben nicht.

Um keine 2-Klassen-Gesellschaft in Mobilitätsbelangen aufzubauen, ist es dringend notwendig, das Mobilitätskonzept grundlegend neu zu überdenken. Eine Forderung nach kostenlosen Verkehrsmitteln für alle kann dazu beitragen. Vielleicht nicht nur eingeschränkt auf den Nahverkehr, sondern ausgedehnt auf den gesamten öffentlichen Verkehr im Land. Ist dieser Gedanke im Jahr 2022 zu visionär?

Posten Sie Ihre Meinung zu diesem Thema. Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion.



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